Intercultural Clowning Workshop, La luna nel pozzo, Ostuni, 2010
Interview: Martin Müller-Bialon, Kurseteilnehmer
Cath: Deine Arbeit und unser Workshop hier sind wahrscheinlich für viele Leute zwei Welten. Deshalb wollte ich dich fragen, wie du hierher gekommen bist und wie das für dich zusammen kommt.
Martin: Ich bin der persönliche Referent der Bürgermeisterin und Bildungsdezernentin von Frankfurt am Main. Ich bin verantwortlich für die Kommunikation des Bildungsdezernates zu den Schulen und zur Politik. Das heißt, ich rede mit Politikern auf kommunaler Ebene und auf Landesebene, Hessen in diesem Fall. Und ich rede mit Schulen, mit Schulleitungen, mit Elternbeiräten und auch speziell mit Eltern. Schulen oder Politiker auf allen Ebenen melden sich bei mir, wenn sie ein Anliegen haben. Häufig geht es dabei um Konflikte. Mein Aufgabe ist, die Richtung der Politik, für die meine Chefin steht, zu vertreten. Und dann muss ich vermitteln. Und das funktioniert nicht, wenn ich Konflikte verschärfe. Das ist nicht immer einfach, denn es gibt Forderungen speziell auch von Eltern, die völlig absurd sind. Und dann müsste ich eigentlich manchmal sagen, das geht so nicht, das können wir so nicht machen. Aber die nackte Wahrheit führt in der Regel zu keinem guten Ergebnis. Sondern sie führt dazu, dass negative Artikel in der Zeitung stehen oder dass Konflikte sich über Monate hinweg hinziehen und Projekte, die wir machen wollen – z.B. wenn Schulen saniert werden müssen – von den Schulen so behindert werden, dass die ganze Zeitplanung auseinander fliegt und völlig alles aus dem Ruder läuft und wir letzten Endes das Problem haben. Also wir als Dezernat und meine Chefin als Bürgermeisterin. Und um da gut vermitteln zu können und für die Menschen gute Lösungen zu finden, ist Kommunikation wichtig. Es ist wichtig wahrzunehmen, was wollen die Leute eigentlich wirklich.
Und dafür ist dieses Training hier, dieser Workshop hier, Gold wert, denn es geht dabei ja um Wahrnehmung und auch um Empathie. Und dafür sind solche Wochen einfach extrem wertvoll. Ich kann dann mit Dingen anders umgehen. Ich bin im Grunde genommen leicht reizbar. Ich bin ein hitzköpfiger Mensch. Ich werde bei Konflikten schnell laut, ja, wirklich. Und oft rufen Leute mit Anliegen bei mir an, für die ich gar nicht zuständig bin. Zum Beispiel ruft eine Schulleiterin an, weil auf ihrem Schulhof noch der Split vom Winter liegt und die Schüler darauf ausrutschen und sich die Knie aufschürfen. Sie hat ein Riesendrama daraus gemacht. Aber ich bin gar nicht zuständig und muss mich jetzt doch damit befassen. Und all das geht nach dem Workshop einfach viel besser. Ich habe viel mehr Geduld, viel mehr Empathie. Das ist jetzt mein drittes Mal und bisher war es immer so, dass die Wirkung über Monate noch dagewesen ist. Also es hat wirklich eine extrem lange Nachwirkung. Da öffnet sich eine Tür, vom Kopf zum Herz. Das ist wirklich so. Das ist natürlich ein Geschenk.
Cath: Wie würdest du das, was wir hier machen, jemandem erklären, der überhaupt keine Ahnung hat, welche Art Arbeit das ist, und der eher aus dem Business- oder Politik-Bereich kommt? Jemand fragt dich, du hast doch eine Fortbildung gemacht, und was war das denn? Wo fängst du an? Du sagst „Clowning", und dann?
Martin: Erstmal, ich erzähle das nicht jedem. Ich weiß, dass es Leute gibt, die damit nichts anfangen können. Man müsste ihnen drei Stunden erklären, dann würden sie es vielleicht begreifen. Das hat keinen Sinn. Das mache ich dann auch nicht. Bei meiner Chefin dagegen wusste ich von Anfang an, dass das bei ihr auf Interesse stößt, dass sie offen ist dafür. Ich versuche also vorher heraus zu finden, ein Gefühl dafür zu entwickeln, hab ich überhaupt eine Chance bei dem, bei dieser Person auf ein gewisses Interesse zu stoßen. Und dann sag ich „Clowning", aber muss natürlich sofort im nächsten Satz erklären, dass es nichts mit Zirkuskaspern zu tun hat. Und dann ist gleich das Interesse da. Weil die meisten können mit dem Begriff Clowning nichts anfangen. Und wenn sie hören, dass es mit Clownerei nichts zu tun hat, dann kommen Fragen. Und dann ist man im Gespräch.
Es ist mir auch wichtig zu sagen, dass ich es in vorderster Linie wirklich für mich selbst mache. Ich empfinde das hier nicht als reine Fortbildung. Es ist nebenbei auch eine Fortbildung. Aber in erster Linie tue ich mir selbst etwas Gutes. Ich sorge dafür, dass mein Leben besser funktioniert. Das hat also auch etwas ganz Egoistisches.
Cath: Zahlt dir die Stadt das als Fortbildung?
Martin: Im Moment nicht, aber ich habe das auch schon überlegt, mir das bezahlen zu lassen. Denn es ist im Grunde genommen eine Fortbildung, ein Kommunikationstraining. Aber ich konnte die zwei Kurse, die ich bisher gemacht habe, zumindest von der Steuer absetzen. Also vom Finanzamt ist es akzeptiert worden. Aber ich muss sagen, mir geht’s nicht ums Geld, mir geht’s um die Akzeptanz. Meine Chefin ist da schon sehr offen. Sie ist ja von den Grünen, also nicht so konservativ, sondern sehr aufgeschlossen, interessiert daran und hat auch viele Fragen gestellt, was das genau ist.
Cath: Wem würdest du diese Art Workshop empfehlen?
Martin: Gut wäre diese Art Arbeit meines Erachtens zum Beispiel für Ärzte, oder Sozialarbeiter oder Politiker. Denn für die ist es wichtig wahrzunehmen, was Menschen meinen. Nicht nur, was sie sagen, sondern was sie wirklich meinen. Und was sie fühlen. Es geht ja um Wahrnehmung, Kommunikation, Präsenz, Empathie. Es geht um die Bereitschaft und die Fähigkeit, mit Menschen, die in ihren Positionen weit von mir entfernt sind, eine gemeinsame, kreative Lösung zu finden, die für beide Seiten von Vorteil ist. Das ist eigentlich für mich das Kernanliegen. Es hat mit Wahrnehmung zu tun, und es hat damit zu tun, dass ich selbst eine Haltung entwickle, den Menschen und dem Thema gegenüber, um das es gerade geht. Ich kann nicht einfach da sitzen und denken, na, schauen wir mal, sondern ich muss eine Haltung haben. Das heißt nicht, dass ich stur festgelegt darauf bin, was meine Lösung ist. Aber ich muss eine gewisse Grundhaltung haben, die für die anderen auch klar ist. Und aus dieser Haltung heraus kann man dann sehen, in welcher Richtung man Lösungen findet. Das hat auch mit einer gewissen Reife zu tun, mit einer Persönlichkeitsreife. Auch dafür sind solche Wochen extrem wertvoll.
Cath: Vielen Dank für dieses Gespräch.